Montag, 7. September 2015

Wiedersehen nach gefühlten 100 Jahren

Wir hatten gemeinsam ein Internatszimmer bewohnt
und später nur noch sporadisch Kontakt. Jede von uns
beiden war beschäftigt mit dem Aufbau ihres Lebens
und einer Familiengründung. Nach fast 30 Jahren hatte
sie sich zu einem Besuch angemeldet. Ob sie mich
wiedererkennen würde? Sie tat es, ich tat es auch.
Allerdings hatte sie mich eher kugelförmig in Erinnerung.
Das war kein Wunder, gab es doch damals im Pausenverkauf
süße Bäckerteilchen. Rein instinkt gierappetitmäßig geleitet
und bar jeder Ahnung über clevere Ernährung hatte ich dort
mein Taschengeld umgesetzt und meine Kleidergröße um
manch ein Feld weitergeschoben.
Nun saßen wir beim gemeinsamen Mittagessen und sie staunte,
dass ich EINEN GANZEN TELLER VOLL aß und trotzdem
schlank war. Als Lebe leichter Coach konnte ich es mir nicht
verkneifen, zu dozieren: "Spatzenportionen machen dick, weil
der Körper denkt, es ist Hungersnot. Deshalb macht er alle
Sparfunktionen mobil, drosselt den Energieverbrauch und
bedient sich notfalls am Muskeleiweiß. Kaum kriegt er wieder
eine normale Mahlzeit, zieht er alles Fett und alle Energie raus,
um diese für die nächste Notzeit zu bunkern. Wenn er sich auf
eine regelmäßige Ernährung, die angenehm satt macht, verlassen
kann, muss er nicht mehr gewaltsam Vorratshaltung betreiben.
Keine Diät - kein Jojoeffekt."
Natürlich will ich nicht auf der anderen Seite vom Pferd fallen,
denn zu üppige Portionen machen halt einfach auch dick.
Deshalb habe ich mir neulich im Restaurant - ich musste meine
Eitelkeit überwinden - einen SENIORENTELLER bestellt,
obwohl ich mich kein bisschen seniorenmäßig fühle. Aber die
Nichtseniorenportionen in diesem Lokal haben einfach einen
kugelformenden Effekt. Meine Mahlzeit war gut bemessen, denn
ich blieb weder halbhungrig noch war ich vollgegessen.
"Nun", sagte ich zu meinen Begleitpersonen, "da ich ja bald Oma
werde, hat das schon gepasst."

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